Montag, 28. Mai 2012
Ein Wald mitten in Peking...
Dieses Wochenende habe ich kurz vor der Abreise nach Hangzhou auch noch einen anderen Ort besucht. Den Olympischen Forstpark von Peking, ganz nahe am Olympiastadion, dem olympischen Grünpark und der Zentrale des nationalen Olympiakomitees. Letzteres müsste jetzt eigentlich dichtmachen, aber die arbeiten weiter…kein Chinese, den ich danach fragte, wusste, warum das überhaupt nicht wieder aufgelöst wurde…wahrscheinlich muss es jetzt die Schuldenlasten verwalten, die mit dem inzwischen fast komplett leerstehenden Olympiastadion entstehen. Mittlerweile werden dort viele kommerzielle Events angeboten, um wenigstens die Instandhaltungskosten ein wenig wieder zu kompensieren. Oder auch, um ein paar lukrative Posten in dem Komitee zu verteilen. Naja, Riesenreich, Riesenapparat. Das ist ebene China. Wer beschwert sich noch, dass die nichts zur Arbeitsbeschaffung tun?!^^
Der Forstpark ist was den Eintritt angeht frei, man darf also nicht all zu viel annehmen, wurde 2008 mit den Olympischen Spielen eingeweiht und hat beachtliche Ausmaße. So konnte ich an jenem Abend auch nur etwa das erste Viertel erkunden, was sowohl an der Größe, als auch der bemerkenswerten Langweiligkeit mancher Abschnitte geschuldet war. Aber es gab auch sehr schöne Gegenden, in denen die Bäume bereits etwas angewachsen waren und nicht bloß gerade mal meine ungefähre Körperhöhe (so etwa 2 Meter) erreichten.
So traf ich denn auch dort zuerst eine Gruppe älterer Senioren, die sich zum Singen dort verabredet hatten, und denen ich mich selbstverständlich einmal kurz angeschlossen hatte…es gab dann später auch noch eine Gruppe jugendlicher oder gleichaltriger Studenten, allesamt Tibeter, welche sich um einen MP3-Lautsprecher im Reigen versammelten und einen Tanz aufführten. Da musste ich einfach mitmachen! Obgleich ich mich am Anfang sehr lange einfinden musste. Die Tanzweise und auch die originalsprachlichen Tanzlieder der Tibeter erinnerte sehr stark an mein Verständnis von Indianertänzen. Nur, dass wir nicht ganz „HeyaHeyaHeyaHeya“ gerufen haben, sondern „Heyyyjjiioooooooa! „
Dabei war der Takt für mein Verständnis auch ganz anders. Ich habe mich dann etwas eingefunden, als einer mir immer vorgezählt hatte. 1-2-3-4-5-----6. Bei 6 musste man auf jeden Fall mit dem rechten Bein aufstampfen, davor erfolgte ein ganz seltsames Tänzeln mit beiden Beiden, bei denen man immer mal wieder das linke oder rechte Bein im Sprung in die Luft warf oder leicht ein In-die Hocke-gehen andeuten musste. Manchmal musste man sich auch noch in einer fließenden Bewegung zum Hochwerfen des einen Beines oder dem Aufstampfen (wenn ich mich recht erinnere) auf dem jeweils anderen Bein drehen, dann wieder nach gut ein oder zwei Durchgängen eine Art Linksum und einen gehüpften Stechschritt mit Hüpfeinlagen…dann nach zwei oder 4 Takten, zwei Drehungen, oder so. Ich war an sich begeistert, aber mindestens genauso kaputt.
Danach haben wir noch einen viel einfacheren Reigentanz gemacht, der ging immer mit 2 (sehr schnell und anstrengend, aber einfacher zu merken)…nun habe ich auch mal mit Tibetern getanzt und kann nur sagen, dass das auch ein sehr herzliches und amüsantes Völkchen ist, das man liebgewinnen kann. Nachdem wir die letzten Grünflächen in der wüstennahen Stadt Peking malträtiert hatten, bin ich dann wieder zurückgekehrt. Als ich noch bei einem Bäcker essen war, habe ich noch eine schon in reifen Jahren befindliche und sehr traditionell und elegant gekleidete Dame gesehen, die sich erst sehr darüber amüsiert hatte, wie halbverhungert und segenserfüllt ich dieses westliche Brot mit Butter und Käse verschlungen habe. Dieser Bäcker hatte als einer von sehr sehr wenigen und ebenso teuren auch westliches (also essbares) Brot, das nicht nur aus Weissmehl und Tonnen von Zucker besteht. (Chinesen an sich kennen nur „Milchbrötchen“ oder übersüßte Kuchen)
Sie hat mir dann sogar noch gleich zwei Flaschen westlichen Apfelsaft (teuer, importiert, Chinesen ist der ich zitiere: “viel zu sauer“) gekauft. Ich habe mich ganz oft bedankt. Dann hat sie mit mir sehr interessiert und unheimlich freundlich und verständnisvoll gesprochen. Sie hat, das hat man richtig gemerkt, ein echtes Talent, den Leuten zuzuhören und sich auf sie einzustellen. Dann sagte sie auch, dass sie für die Stadtregierung als Regierungskader arbeitet.
Nach dem schönen Zufall bin ich nun nicht mehr hungrig und eben auch nicht mehr durstig nach Hause gegangen. Direkt vor unserem Haus stand eine Baustelle. Und was ich da wieder sah…das war typisch chinesisch. Die Baustelle stand auf einer kleinen Nebenstrasse. Ein Deutscher Bauarbeiter würde dort ein großes Schild aufstellen oder einen Sperrzaunsatz, der es markiert. Ein deutscher Autofahrer denkt sich, „Ok, ist gesperrt hier. Wenn ich da durchfahre, verstoße ich gegen ein Gesetz, störe die Bauarbeiter und komme eh wahrscheinlich nicht weit.“ Ein chinesischer Autofahrer denkt: “Oh, das da ist eine Herausforderung. Ich muss jetzt einfach versuchen, diese Absperrung knapp zu umfahren, oder ein bisschen mit meinem Auto wegzuschieben, das ich hier auch durchkomme. Macht doch nichts, wenn ich mal kurz über diese Baustelle hier fahre, ich wird schon aufpassen und keinen Bauarbeiter umfahren. ICH MUSS DOCH TROTZDEM HIER DURCH!“

Und deswegen war die kleine 3 Meter breite Nebenstrasse von den Bauarbeitern nicht gesperrt, sie war verbarrikadiert! Im wahrsten Sinne des Wortes. Es standen dort mehrere Zaunsegmente, Sandsäcke, schon herausgerissene Steinbrocken, ein blinkendes riesiges altes Pfeilschild, eine blinkende Rundlaterne, Halteschilder, Farbband und mehrere Leuchtstäbe, die noch über die gesamte Konstruktion lose verteilt waren. Als Krönung lag auf dem Ständer noch ein schon herausgerissenes großes Stück Asphalt. Da kommt jetzt aber keiner mehr durch.

Dann taten mir diese Arbeiter da abends um 7:20 aber doch so Leid, dass ich schnell zum Laden gerannt bin und der ganzen Truppe zwei Schachteln Zigaretten gekauft und ihnen gegeben haben. Die waren ganz verblüfft und haben sich dann gefreut. So habe ich quasi das gute Karma weitergegeben, dass mir in dem Kaffee zuteil wurde.

... link