Sonntag, 27. Mai 2012
Aimun 2012 -von Freud und Leid eines Pseudo-Diplomaten-
So, heute werde ich mit meinem Bericht einmal sehr politisch. Denn das letzte Wochenende inklusive Donnerstag und Freitag habe ich an einem besonderen Ereignis namens „AIMUN“ teilhaben können. Und alle, die jetzt fragen, was das ist, NEIN, es ist keine Games Convention, auch keine Verfilmung einer Anime-Serie aus Japan…
Aimun bedeutet „Asian International Model United Nations“ …es ist also eine Simulation der vereinten Nationen, für die ich mich mit nur etwa 5 weiteren deutschen Kommilitonen (und auch nur aus Würzburg) beworben habe. Ich vertrat also auf dieser Konferenz auch Deutschland. Wie der Name schon sagt, sind die anderen 98,9% der Teilnehmer dieser Konferenz Asiaten und davon wiederum 98,9% Chinesen bzw. Hongkonger. Als ich mich noch in Würzburg dafür beworben habe, wusste ich darüber noch nicht viel, nicht mal, was dieser komische Name nochmal bedeutet. Als ich dann in Peking angekommen war, hatte ich wichtigeres zu tun, als mich mit irgendwelchen internationalen Dingen zu befassen. Der gerade begonnene Aufenthalt am anderen Ende der Welt in China und dann noch in einer Wohnung voller Chinesen mit nur ein paar wenigen Ausländern und das Studium an der Fakultät „internationale Beziehungen“, all das schien mir am Anfang erst einmal international genug zu sein.
Ich hatte dann später schon erfahren, dass ich in der UNESCO sein werde und die Republik Indonesien vertreten werde. Und das unser Diskussionsthema die Diskriminierung von Frauen weltweit sein wird. Da ich ein politisch interessierter Mensch bin und vorher schon manchmal einiges über Indonesien erfahren hatte, wusste ich, dass das Land in Bezug Frauenrechte nicht so gut dastand, weil es noch in den sechziger Jahren Bürgerkrieg erlebt hat und obendrein religiös ist. Doch ich wusste auch (nicht zuletzt, weil eine Kommilitonin aus unserer Klasse aus Indonesien kommt, aber eine ethnische Chinesin und jetzt sowieso Deutsche ist), dass die Rolle der Frau dort immer noch vergleichsweise gut ist und obwohl es das größte islamische Land der Welt ist, vom Staat und der Gesellschaft viele Freiheiten und auch religiöse Toleranz herrschen. Auch das Kopftuch ist keine gesellschaftliche Pflicht mehr in vielen Landesteilen.
Und so ging ich mit gutem Halbwissen und ohne jede Erfahrung in die Einführungsveranstaltung. Und stellte dort erschrocken Fest, von welchem Kaliber das war. Jeder, inklusive der freiwilligen Helfer, die nicht mal teilnahmen, trug Sakko bzw. feinste Kleidung. Gute 98,9% der asiatischen Delegierten mehrheitlich chinesischen Teilnehmer trugen Anzüge. Es wurden Delegiertenanstecker verteilt und es standen massiv Medienvertreter vor Ort, die bereits damit begannen, ihre Kameras einzustellen und zu bearbeiten.
Auf der anderen Seite stand ich, der mit einem blau-weißen Polohemd, einer blauen Jeanshose, einer pechschwarzen Regenjacke, blonden Haaren und einem aus Deutschland mitgebrachten Thorshammer aufwarten konnte. Zu meiner Verteidigung, das war eine Veranstaltung für Studenten und es wurde nie gesagt, dass es so hochkarätig sein würde. Und, was noch schwerer wiegt, ich hatte weder ein Sakko, noch sonstige „Bankettkleidung“ mitgenommen, weil in meinem Koffer kein Platz mehr war und mir mein bestes Sakko eh zu schade war, um es in einem prall gestopften Koffertotal zu versauen.
Also machte ich das, was jeder vernünftige Mensch in der Situation tun würde…ich verfiel in hellste Panik und rannte schnellstmöglich zum nächsten und einzigen Kleidungsausstatter in der Gegend (gottlob gibt es auf dem Campus der Uni einen, der ist, wie eine kleine, abgeschottete Stadt). Dann, im Laden, der Schock…es ist zwar offen, aber der Laden verkauft erst ab nachmittags um 2. Dann musste ich alles aufbieten, was ich an Schauspielkunst drauf hatte, um ihr Mitleid zu erregen…genaugenommen brauchten sie bloß meine ulkige halbglatzige Visage betrachten und das Mitleid überkam sie. Ich weiß es nicht, auf jeden Fall haben sie sich dann doch noch mitleidig dazu herabgelassen, mir einen geschmacklosen schwarzen Anzug für 700 Renminbi anzudrehen.

Dann traf ich 10 Minuten vor der Konferenz, noch einen weiteren Teilnehmer, ein Chinese natürlich, der erste Kollege an dem Tag. Aber der Typ war fertig! Er war am Ende, völlig durchgeschwitzt, in seinem Gesicht stand die blanke Panik und er stammelte was von, er suche einen Laden, wo er noch schnell einen Schlips herbekommt, das hätte er ja ganz vergessen! (Kurzum, der Typ war ich vor zehn Minuten!) Ich zog jovial und gönnerhaft die Visitenkarte des obigen Kleiderladens hervor, wo ich noch vor fünf Minuten jede Selbstachtung verloren habe, locker aus der Brusttasche meines Anzugs und gab sie ihm mit der Bemerkung, er habe eventuell schlechte Karten, weil der Laden erst ab zwei Sachen verkauft. Aber dann habe ich ihm noch geholfen, dort schnell noch so einen Schlips zu bekommen, die Chefin, die wegen mir gekommen ist, war noch da. Dann, in der Konferenz traf ich eine deutsche Kommilitonin (die Wahrscheinlichkeit, sie in dem Versammlungssaal NICHT zu treffen war 98,9%,), bei der mir gleich irgendetwas betreffs ihrer Kleidung so komisch vorkam. Sie hatte es auch vergessen und war völlig beschämt. Kurzum, sie war ich in 3 Minuten, wenn ich nicht vor 20 Minuten wie der Chinese, der ich in 10 Minuten war, gewesen wäre. Oder etwas kürzer: gottseidank bin ich kurz vor der Konferenz noch in diesen dämlichen Laden gerannt!!!

Dann begann die Rede der Gastgeber im zentralen Hörsaal. Ich habe mir einen Platz in der vordersten Reihe reserviert (klar, das bin ich). Es wurde nur für die Begrüßungsrede eine enorme Prominenz aufgeboten. Die Begrüßungsworte sprachen, der ehemalige UN-Delegierte der VR China von 2001 bis 2007, der Botschafter Vietnams, der UN-Vertreter Serbiens und die UN-Vertreterin Großbritanniens, sowie der Präsident der Universität. Und während die Leute schliefen, erklärten sie uns so viele interessante Dinge, die sie in ihrer Laufbahn erlebt haben. Dann ging es in den wirklich wichtigen und interessanten inoffiziellen Teil…das kennenlernen untereinander.

Gleich als erstes lernen ich einen sehr freundlichen Uhiguren aus Xinjiang kennen gelernt, der aber ein sehr fließendes Chinesisch spricht und natürlich hervorragend Englisch. Als ich ihm sage, dass ichmich sehr für Xinjiang und seine Kultur interessiere, habe ich gleich einen sehr guten Freund gehabt. Leider ist er in einem anderen Komitee. Dann mache ich mich auf den Weg zu meinem ersten Arbeitstag. Auf natürlich habe ich dabei auch die Gelegenheit, gleich einige sehr attraktive weibliche Gesandte auf dem Weg kennenzulernen…die Kamera läuft bereits warm und der erste Akku ist bereits leer, noch bevor ich meine eigentliche Arbeit beginnen kann… Aber der relevante Inhalt meiner kommenden Arbeit war ja schon sehr nahe bezüglich dem weiblichen Geschlecht und insofern muss ich mir als Delegierter ja auch etwas mehr Zeit für die Frauen und ihre Sorgen und Nöte nehmen, schließlich nehme ich meine Rolle ja sehr ernst.

Als ich dann noch eine halbe Stunde warte, entdecke ich im Saal noch zwei weitere weibliche Delegiertenkolleginnen, die ich nach ihrer repräsentierten Nation befrage. Sie sind begeistert und erzählen mir viel, fragen mich noch mehr, Fotos, der übliche Kram. Und dann erfahre ich, sie sind gar keine Delegierten, sondern Journalistinnen. Und das ich zu ihnen so charmant war, sollte mir im späteren Verlauf des 4 tägigen Kongresses noch zugutekommen!

Dann…sehe ich zum ersten Mal den Tagungsraum. Und bin begeistert. Ein richtiger kleiner Konferenzsaal, innen mit echter Mahagoniholzimitation aus PVC ausgekleidet. Und bei jedem jedem Sitz liegt ein Namensschild des jeweiligen Landes. Draußen stehen viele Hostessen, die einem Tee und Kaffee anbieten und einem den Weg zur Toilette Außer mir ist jedoch noch keiner da (mist, jetzt habe ich wieder dieses unsägliche deutsche Klischee der Pünktlichkeit bestätigt, das ich selbst in Deutschland so hasse…) Außer mir ist nur eine wiederrum sehr adrette Frau anwesend, die gerade telefoniert. Erst denke ich, es ist mongolisch oder koreanisch, aber irgendwie auch, wie russisch. Als sie auflegt, frage ich sie (die einzige offizielle Sprache bei Aimun ist Englisch), jedoch wird außerhalb, weil 98,9% der Teilnehmer asiatische sakkotragende Studenten chinesischer Nationalität sind…klar…wir haben chinesisch gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass sie zur kasachischen Minderheit gehört und auch aus Xinjiang kommt. Sie repräsentiert Pakistan. Da freue ich mich schon, weil wir dann wahrscheinlich miteinander zu tun haben werden (auf politischer und bilateraler Ebene natürlich).
Dann beginnt der eigentliche Kongress. Ich habe 30 Minuten vor Beginn noch schnell die Abläufe in kompliziertem Englisch aus den Anweisungen gelesen, die wir eine Stunde davor noch bekommen hatten. Und kurzum, ich hatte keine Ahnung. Als die Konferenz begann, wurde sofort und blitzschnell über die ersten Motions abgestimmt (ich wusste auch nicht, was das überhaupt heißt). Das sind Themen, die man diskutieren will. Wer das vorschlägt, ist automatisch als erster auf der Sprachliste. Und somit habe ich bei der allerersten Sitzung gleich überhaupt nichts verstanden und einige wenige Länder beneidet, weil die sich sofort mit Eingaben und blitzschnellen Meldungen, Punkten usw. gemeldet und sich innerhalb von Sekunden die gesamte Redezeit des ersten Themas gesichert haben. Die Reden, die die gehalten haben, hätte ich auch gern gehalten. Aber ich wollte auch keine Meldungen und Eingaben machen, weil die Zeitpunkte und Formvorgaben extrem streng reglementiert sind und ich keinen Fehler machen wollte. In der Hälfte der ersten Session habe ich es dann langsam begriffen und habe es geschafft, einige Reden zu halten, womit ich schon besser war, als die meisten, die bei allen gesamten Sessions nur einmal oder gar nicht geredet hatten. Ich habe meine Rolle auch sehr wichtig genommen und wollte unbedingt zu den wenigen Nationen gehören, die den Großteil der Diskussion mit Inhaltspunkten und Vorschlägen gestalten, aber auch authentisch sind. Ich habe deshalb versucht, wirklich Indonesien inhaltlich zu vertreten, das größte islamische Land der Erde mit einer autoritären Regierung, die wirtschaftliche Entwicklung und Modernisierung und politische Öffnung vor die Kritik an Religion stellt. Die meisten Länder dagegen haben sich überhaupt nicht realistisch verhalten und immer nur von allgemeinem Kram geredet. Es bedürfe einfach mehr „Bildung“ und „Entwicklungshilfe“. Dabei war schon die Anwesenheit der Länder extrem belustigend. Es waren sehr viele Anwesend, aber die wichtigen Länder haben fast immer gefehlt. Bei der Teilnehmeraufnahme…jedes Land wurde bis zu dreimal genannt…bei Nichtantwort…“not present“
Und dann wurde festgestellt:…USA…not present, France…not present, China…not present, Germany…not present, Great Britain…not present, India..... ...not present, Iran…not present, The Democratic Peoples Republic of Korea…not present,………………The Russian Federation…not present.. .. . . .


Von den Staaten der reichen Industrieländer waren u.a. nur Dänemark, die Schweiz, Norwegen, Schweden und Spanien präsent. Aus Asien waren unter den reichen Staaten nur Vietnam, Südkorea und Japan vertreten. Die Diskussion war dementsprechend. Die vielen Afrikanischen Staaten haben nur allgemein geschwafelt, sie bräuchten einfach nur Entwicklungshilfe und Geld und die europäischen Staaten (besonders Dänemark und Norwegen) haben uns für unsere Religion (Islam) kritisiert und allen Ländern ganz viel Entwicklungshilfe versprochen. Daraufhin habe ich einen Block mit Saudi Arabien, Pakistan, den UAE, Uganda und Ägypten gebildet und wir haben die ganze Zeit in der ersten Sitzung massiv Dänemark und Norwegen angegriffen. Pakistan meinte, die sollen nicht immer Versprechungen machen, die sie niemals in ländliche und arme Gegenden, sondern nur in Städte bringen. Dann meinte ich noch, dass die Delegierten Dänemarks, Norwegens, Schwedens und der Schweiz die finanziellen Ressourcen ihrer kleinen Länder nicht richtig studiert hätten und ihre ehrgeizigen Vorschläge für Länder wie Bangladesch oder Pakistan mit mehreren hundert Millionen Menschen die Ressourcen ihrer Länder total überbeanspruchen würde und dass sie doch die Länder der dritten Welt nicht belügen sollten. Der Schlag hat gesessen, denn außer mir wussten viele Delegierte (waren ja Chinesen) gar nicht, dass diese Länder so klein sind. In der Folge habe ich den Vorschlag gemacht, lieber erst mal Frauenrechte für die Millionen Arbeiter der 3.Welt zu ermöglichen, die in den westlichen Firmen arbeiten und weniger Geld bekommen, als ihre männlichen Kollegen und bei Schwangerschaft fristlos gefeuert werden. Ich bekam zwar viel Applaus, aber die Diskussion verlagerte sich nicht darauf. Aber viele asiatische Länder begannen, die Arbeitsrechte in ihre Vorschläge als einen Punkt aufzunehmen. Die Diskussion verlagerte sich aber wieder auf plumpe Entwicklungshilfe und den Ruf nach Bildung. Die Vertreter Ägyptens und Pakistans haben einen fetten Wutausbruch bei ihren Reden hingelegt und sich übelst aufgeregt. Der Botschafter Ägyptens hat zeitweise den Saal verlassen. Das habe ich dann auch getan und der Schweiz vorgeworfen, sie wolle die Probleme der Diskriminierung überhaupt nicht an der Wurzel bekämpfen. Als der schwedische Botschafter wieder am allgemeinen Faseln war, habe ich einen Niesanfall simuliert und dabei einmal “BULLSHIT“ gerufen. Dafür habe ich dann sogar Applaus vom vietnamesischen Delegierten bekommen. Außerdem konnten wir uns ständig Zettel schreiben, auf denen Absenderland und Empfängerland und dann eine Frage oder ein inoffizielles Angebot stand. Ich habe so einen Zettel an China geschrieben (das nicht da war) und dann draufgeschrieben „where the hell are you?!“ Den Witz musste ich mir einfach erlauben.

Insgesamt habe ich gelernt, dass man jede Sekunde benötigt, wenn man seinen Beruf als UN-Vertreter wirklich ernst nimmt. Bei den Pausen finden immer angeregte Diskussionen statt, wo sie alle möglichen Länder über gemeinsame Strategien beraten. Und theoretisch könnte man mit allen Ländern lange Sprechen und Punkte finden. Die Zeit reicht aber maximal für 4 bis 5 kurze Diskussionen a 3 Minuten, wo man seinen Standpunkt nicht aufdringlich aber energisch erklärt, den anderen anhört und sofort Synergieeffekte finden muss. Wenn man einfach nur passiv dasitzt oder wartet, selbst angesprochen zu werden, so wie das die meisten Länder taten, dann ist man kein Teil des inneren kleinen Zirkels der Länder, die etwas gestalten und die Richtung der gesamten Arbeit weisen. Man wird dann einfach übersehen. Und man muss sich auch dann melden, wenn man noch gar keine Rede vorbereitet hat, nur, um schon mal Zeit zu reservieren, um überhaupt eine Rede halten zu dürfen. Und nach den Sitzungen sind die Blöcke und Diskussionen gleich. Es ist fast wie bei „die Welle“,allerdings mit einem Unterschied:


Wir bleiben unabhängig von welchem Block dennoch für alle Gespräche und Koalitionen offen und dann bei den Abendfeiern bis zum nächsten Morgen um 3 sind wir eh nur noch ganz feste Freunde. Wir waren nur noch die UNESCO und wenn da einer fehlte, hat die ganze Gruppe ihn vermisst. Ich habe zum Beispiel für meine Freunde das Mittagessen organisiert, weil ich der einzige Student der Peking Universität war und eine Mensakarte hatte. Und die kasachische Kollegin musste hallal (islamgerecht) essen. Ich habe dann die Gruppe in die Moslemmensa unserer Uni geführt und traf dort (oh Wunder) meinen uhigurischgen Freund wieder, der mich gleich total freundlich begrüßte. Dann der Schock…in dieser Mensa wird kein Essen an Nichtmuslime verkauft. Die kopftuchtragenden Kellnerinnen verstehen keinen Spaß und so kommt plötzlich mein Kumpel mit seinen drei Landsleuten und sagt, er regelt das schon. Dann hatten wir plötzlich alle unser Essen bekommen.

In den Pausen wurde ich dann auch noch zweimal Interviewt und zwar von einer mir wohlbekannten Person aus der Presseabteilung. Und ich wurde gefragt, ob dies mein erstes Mal an einer UN-Simulation sei und wie ich sie empfunden hätte. Dann habe ich ihr halt alles erklärt und es wurden sogar Fotos gemacht. Später war das Interview dann tatsächlich in einer Ausgabe des „Aimun Daily“. Insgesamt war ich sogar in 3 Ausgaben präsent. Das Kamerateam hat ganze Arbeit geleistet.

Nach den Sitzungen gab es noch Feiern und wenn die nicht zu spät vorbei waren, traf man sich noch im Internet auf Skype oder qq, um dort auf Konferenzen oder im Chat die Koalitionen weiter zu diskutieren. Viele Bekanntschaften sind so entstanden und ich habe ein paar Kollegen kennengelernt, die in interessanten Einrichtungen arbeiten. So war der Vertreter für Südkorea ein Teilnehmer von der Universität für Verteidigungstechnologie. Er sagte mir dann noch, dass er an dem Tarnkappenbomber mitgearbeitet hat, auf den China letztes Jahr so stolz war, weil den sonst nur die USA hätten. Und dass er fast komplett in China gebaut worden sei. Jedoch sagte er auch, dass in China für das ambitionierte Rüstungsprogramm der Luftwaffe noch große Probleme bei den Triebwerken bestünden. Diese müssten immer noch aus Russland erworben werden. Das ehrgeizige Projekt, alle neuen Kampfflugzeuge selbst herzustellen, sei deswegen noch nicht vollständig erreichbar. Auch die ganzen neuen Flugzeuge, die an der Parade zum 60. Jahrestag 2009 paradiert sind und über die die nationale Presse stolz schwärmte, sie seien komplett in China gebaut, räumte er ein, dass das nur mit Ausnahme der Turbinen sei. Deswegen sei das auch sein Forschungs- und Arbeitsbereich. Als ich ihn fragte, wann man denn hoffe, mit Russland in der Flugzeugherstellung gleichziehen zu können, da meinte er etwas von noch etwa 5-10 Jahren. Auch ein schönes Ereignis waren die abendlichen Feiern, zu denen alle Delegierten in einem nahen Restaurant eingeladen waren. Dort haben wir uns mit Wein versorgt und das hat dann auch dazu geführt, dass ich mich spontan an dem Abendprogramm beteiligt habe. Ich bin dann auf die Bühne gegangen und habe auf Chinesisch ein paar bekannte Volkslieder aus Xinjiang gesungen. Am Anfang dachte ich, dass es nicht so gut werden würde, weil es dazu keine Hintergrundmusik gab (habe ja spontan gesungen) aber es kam so gut an und schon nach der ersten Strophe stand zu meiner Überraschung schon mein Kumpel Mirzhat (der Uhigure mit seinen beiden Landsleuten) auf der Matte und wollte unbedingt dazu tanzen. Dann habe ich weitergesungen und die drei haben dazu einen türkischen Tanz dargeboten. Die Begeisterung des Publikums stieg damit noch mehr an.
Danach hat er mir noch eine Bekannte aus Ägypten vorgestellt, die mir gemeinsam mit ein paar anderen Interessierten einen arabischen Rundtanz beigebracht hat. Aber leider habe ich ihn wieder vergessen, es war einfach zu viel auf einmal. Auf jeden Fall war es ein fröhlicher Abend.

Am nächsten Morgen ging es wieder, wie jeden Morgen um 6:30 aus den Federn und ab zur U-Bahn, weil unsere Konferenz ein Stück weg ist und immer schon um Punkt 8:30 beginnt. Kurzum, wir haben noch 3 Tage hart gekämpft für unsere endgültige „draft - resolution“. Zwischendurch kam mal eine Beobachterin zu einer Zwischenbewertung, die meinte, wir in der UNESCO hätten bisher den positivsten Eindruck beim Kontrollkomitee hinterlassen, weil wir wirklich sehr aktiv und ernst seien. Als sie aus dem Saal ging, lief die Diskussion dann im gewohnten Kampf weiter. Dänemark machte ein Versprechen nach dem nächsten, Afrika wollte alles einfach annehmen, wir haben Vorschläge gemacht, die Entwicklungshilfe als Hauptlösung doch noch zu unterstützen, wenn sie mit politischer und wirtschaftlicher Kooperation nachhaltig verbunden würde. Und dann, als wir fast fertig waren, haben die afrikanischen Länder, die bis dahin sowohl inhaltlich, als auch rhetorisch am wenigsten erreicht haben, plötzlich versucht, gegen alle wirklich wichtigen anderen Länder aufzumucken und jeden unserer Vorschläge zu kippen, obwohl sie selbst keinen brauchbaren hatten. Die wollten einfach kurz vor Ende noch mal Macht beweisen und mit uns streiten, weil einige hofften, mit diesen Aktionen vielleicht doch noch mal eine Rede halten und das Preiskomitee beeindrucken wollten. Und dummerweise waren es die meisten Länder in unserer UNESCO. Deswegen haben wir arabischen Länder schnell die Strategie gewechselt und uns mit Dänemark, das an der Spitze der entwickelten Länder stand, verbündet, da wir am Ende der Resolution ohnehin mit ihnen übereingekommen sind, weil sie viele unserer Kritikpunkte bezüglich Nachhaltigkeit angenommen haben. Jetzt habe auch ich in meiner Rede die konstruktiven Ansätze der Industrieländer und Norwegen Schweden, Dänemark, die Schweiz und Spanien für ihr Bekenntnis zur Zusammenarbeit gelobt und die Vertreter einiger Länder eine „Schande für Afrika“ genannt, weil sie nur um Blockstaatlichkeit wegen verhindern, dass Frauen in Politik und Wirtschaft gleich behandelt würden. Am Ende sind wir uns alle einig geworden, was nicht zuletzt am engagierten Vertreter Vietnams lag. Er hat ebenfalls sehr gut vermittelt.

Nachdem wir fertig waren hat sich die ganze Stimmung gelöst und wir haben in dem Versammlungssaal eine mordsmäßige Spontanparty gefeiert. Über eine Stunde haben wir auf den Stühlen getanzt, Gruppenfotos gemacht und spontan im Chor Partylieder gesungen. Sogar eine Champagnerflasche wurde mitten im Raum geöffnet. Sogar unsere Moderatoren und die Ordner haben mitgemacht. Uns alle überfiel nach diesen 4 Tagen ständiger Arbeit und durchschnittlich 4 Stunden Schlaf pro Nacht ein unendliches Glücksgefühl über unsere zum Schluss einmütig abgeschlossene Resolution.

Zum Schluss kann ich dazu nur sagen, dass ich aus dieser Erfahrung gelernt habe, dass der Posten eines Botschafters und eines Un-Vertreters zweifellos ein sehr harter, aber auch schöner Beruf ist. Wer nicht mit Interesse, Überzeugung und Herzblut dabei ist, der wird scheitern! Es gab nur eine Person, die ich da gesehen habe, der das passiert ist. Es war eine meiner deutschen Kommilitoninnen, die zu den insgesamt etwa 6 weiteren europäischen Teilnehmern gehörte. Die war auch mal einen Tag nicht da, wie ich gehört hatte. Als ich sie fragte, warum, sagte sie, es ginge ihr nicht so gut gestern. Und wo ich sie frage, warum sie eigentlich mitmache, höre ich von ihr nur, sie interessiere sich eh nicht so für Politik und mache das eher für Networking. Daraufhin habe ich mit ihr fürs erste kein Wort mehr gesprochen! So was widert mich einfach nur noch an.

Insgesamt kann ich sagen, dass mich diese Erfahrung in meinen Zukunftsplänen noch bestärkt hat und es eines meiner schönsten und genauso auch anstrengendsten Wochenenden war. Ich hätte auch nicht

gedacht, dass es trotzdem so kräftezehrend und anstrengend sein kann. Als am Ende zur Verwunderung aller die Delegierte für Angola, die fast nie etwas gesagt und nie eine eigene Meinung hatte, bei der Abschlussfeier zur „outstanding delegate“der UNESCO gekürt wurde, waren die Vertreter so verärgert, weil eigentlich alle wussten, dass der Delegierte Vietnams der Einzige gewesen wäre, der es verdient hätte! Aber, oh Wunder, als die Veranstaltung vorbei war, habe ich, auf dem Weg zur Toilette gesehen, dass vor der Tür jemand einen Stoffbeutel abgestellt hat und in diesem Beutel waren, oh Wunder…übriggebliebene leere Urkunden ohne Namen…und da bin ich doch dummerweise ein wenig gestolpert, dass ich mit dem Arm aus Versehen eine einzelne herausgenommen habe. Und die war auch schon unterschrieben. Nur, leider waren es nur Preise für den engagiertesten freiwilligen Helfer. (also die Hostessen)

Habe trotzdem schnell noch seinen Namen in Druckschrift draufgeschrieben und sie dann dem Delegierten von Vietnam, mit dem ich auch schon gut befreundet war, heimlich als symbolischen Preis übergeben…der hat sich gefreut^^

Schließlich kehre ich zurück in meine Wohnung, denke mir nur noch: “Mann, was für ein Wochenende“ und dann lasse ich mich ins Bett fallen.